Projekt Oberwambacher Platt soll für die Nachwelt erhalten bleiben –
Gruppe trainiert seit fast einem Jahr regelmäßig
Die Konzentration in diesen zwei Stunden ist mit Händen greifbar. Diejenigen, die an der Reihe sind, ein Gedicht vorzutragen, sammeln sich, konzentrieren ihre Gedanken auf das Blatt Papier, das sie in Händen halten, während die Zuhörer sich mucksmäuschenstill in Geduld üben.
Sie wissen: Auch sie sind gleich an der Reihe, eine oder mehrere Geschichten, die Schriftsteller Karl Ramseger-Mühle in Versform und in Mundart verfasst hat, vorzutragen. Deswegen werden die Sprecher
so gut wie gar nicht unterbrochen.
Aber immer wieder sind es bei der Manöverkritik dieselben Einwände, die für eine Steigerung der Qualität der Wiedergabe sorgen sollen: sprich langsamer und deutlicher, zeichne dir mit Bleistift die Pausen in den Text, achte auf die Betonung, das Versmaß. Hilfreiche Tipps kommen zusätzlich von Fabian Thomas, von Hause aus gelernter Logopäde, der sachlich auf
den ein oder anderen Fehler aufmerksam macht und dabei als Atem-, Stimm- und Sprechtherapeut alles andere als oberlehrerhaft agiert.
Völlig fehlerfrei die „Zungenbrecher“ rezitieren? Leichter gesagt als getan. Das runde Dutzend Männer und Frauen, das um die lange Tafel im Oberwambacher Geräteund Dorfhaus versammelt ist, weiß um die hohe Hürde seiner Aufgabe.
Der korrekte Vortrag der Werke Ramseger-Mühles ist unerlässlich, um das selbst gesteckte Ziel zu erfüllen. Die Gruppe will die Gedichte des 1961 verstorbenen Schriftstellers für die Nachwelt erhalten– nicht nur in schriftlicher, sondern auch in gesprochener Form.
Ziel ist, im Herbst eine Doppel- CD mit „rund 50 Werken“ des Dichters herauszugeben, wie Mundartspezialist Walter Ochsenbrücher aus Heupelzen als „Chef“ dieses Unterfangens und ausgewiesener Fachmann für lokale Dialekte erklärt. Vor diesem Hintergrund trifft sich die Mannschaft, an deren Zusammenstellung Helmut Wagner (Heupelzen) einen großen
Anteil hatte (Ochsenbrücher: „Der kennt alle Plattschwätzer“), seit nunmehr fast einem Jahr alle drei bis vier Wochen zum Training, um wirklich bestens gerüstet für die Aufnahme des „Silberlings“ zu sein.
Mit von der Partie als aufmerksamer Zuhörer und Ideengeber ist Dieter Sommerfeld, der Vorsitzende des Arbeitskreises für Heimatgeschichte und Brauchtumspflege. Dieser Zusammenschluss wird der Herausgeber des gesprochenen Wortes made in Oberwambach sein, das sich naturgemäß von anderen, heimischen Spracheigenarten (teils erheblich) unterscheidet und in erster Linie zwischen Gieleroth, Oberwambach und Fluterschen zu hören war (ist) – mit einer Ausbreitung Richtung Puderbach.
Wie Ochsenbrücher regt auch Sommerfeld immer wieder in den Pausen die Diskussion um eine möglichst fehlerfreie Aussprache an. Zunächst einmal sieht die erste Auflage der Doppel-CD eine Zahl von 500 Stück vor. Ramseger-Mühles Gedichte, deren Länge unterschiedlicher nicht sein könnte, sollen zu Gruppen unter jeweils einem bestimmten Thema zusammengefasst und mit dezenter Zithermusik (Ramseger-Mühle spielte dieses Instrument) unterlegt werden.
Die beiden singenden Oberwambacher Zusammenschlüsse, der Frauen und der Männerchor (in dem Ramseger- Mühle Mitglied war), runden den Inhalt der CD genauso ab wie die hochdeutsche Erklärung der jeweiligen Gedichtseinheiten. Das Cover entwirft der Altenkirchener Designer Salvatore Oliverio. Das private Tonstudio des Weyerbuscher Apothekers Jürgen Greis ist
bereits für die Produktion gebucht. Ramseger-Mühle befasst sich in seinen Werken mit Alltäglichem, Beobachtungen, die er in seiner Heimat Nummer eins, dem Westerwald, gemacht hat, sind in Versform für die Nachwelt erhalten, wobei sowohl Fröhlichkeit, feiner Humor als auch Schwermut deutlich zu hören (spüren) sind.
Zurück geht die Idee einer CDProduktion ins Jahr 2010. Ochsenbrücher, der gemeinsam mit Roswitha Thomas (Altenkirchen) schon während einer Spiegelzelt-Veranstaltung im Jahr 2004 das Leben und einige Werke des gebürtigen Fluterscher vorgestellt hatte, verfolgte den Gedanken, die Verse für die Nachwelt zu erhalten, intensiv weiter, sodass schließlich nach vielen Gesprächen das Konzept Gestalt annahm. Und so schließt sich der Kreis ein bisschen: Ramseger- Mühle war während seiner Lahnsteiner Zeit der Pflegevater von Roswitha Thomas.
Er hatte immer Sehnsucht nach dem Westerwald
Biografie Schriftsteller Karl Ramseger-Mühle wurde in Fluterschen geboren und starb in Lahnstein
Am 3. März hat sich zum 50. Mal der Todestag des Schriftstellers Karl Ramseger-Mühle, der weit über die Region hinaus bekannt wurde durch das Buch „Die Gräfin von Sayn“, gejährt.
Es erschien erstmals 1948 und wurde auf vielfachen Wunsch und dank der Initiative von Rolf Abresch 2004 im Emons-Verlag neu aufgelegt und auch in der Rhein-Zeitung veröffentlicht. Der historische Roman spielt in der Zeit des 30-jährigen Krieges in den alten saynischen Residenzen Hachenburg, Altenkirchen sowie den umliegenden Dörfern.
Experten zeigten sich erstaunt über die Genauigkeit der Recherchen, die für diese Zeit sehr aufwendig und kompliziert waren.
Weitere bekannte Arbeiten Ramseger-Mühles sind: die Novelle „Wacholderhex“, die in den 1930er- Jahren preisgekrönt wurde, Westerwälder Lieder (1924), die Ballade „Der Nebelreigen“ (1934) und „Gutes altes Land“ (1947) mit Mundartgedichten und Erkenntnissen über Trachten, Mundart und Flurnamen.
Sein letztes Werk „Lahnsteiner Spätsommerlied“ über den romantischen Rhein-Maler Nicolai von Astudin wurde 1958 in Lahnstein veröffentlich. Ferner verfasste Ramseger-Mühle zahlreiche heimatkundliche Arbeiten in Zeitungen und Zeitschriften, war freiberuflicher Mitarbeiter der Rhein- Zeitung und Erster Vorsitzender des Mittelrheinischen Schriftstellerverbandes.
Karl Ramseger-Mühle wurde am 26. Dezember 1900 als jüngstes von sechs Geschwistern in Fluterschen geboren, er ging zur Volksschule, später zur Mittelschule (heute Realschule), wo er Preise für hervorragende Leistungen erhielt. Dann arbeitete er bei der Firma Jagenberg in Almersbach.
Er besuchte das Rheinische Technikum in Bingen, schloss aber das Studium nicht ab, weil er sich 1918 als Kriegsfreiwilliger meldete. 1919 belegte Ramseger-Mühle am Polytechnikum in Friedberg (Hessen) einen Studienplatz, um Maschinen-bauingenieur zu werden. Er wurde in acht Fächern der Ingenieurvorprüfung wegen hervorragender Studienarbeiten befreit. 1921 heiratete er Lina Schumann, die Tochter des Mühlenbesitzers Schumann aus Oberwambach. Aus der Ehe gingen zwei Töchter (Gisela und Ilse) hervor.
Er hatte eine ganz enge emotionale und romantische Bindung zur Mühle, was viele seiner Gedichte belegen. Deswegen fügte er seinem Namen die Ergänzung „Mühle“ hinzu. Sein Drang zur schriftstellerischen Tätigkeit brachte ihn in ständigen Konflikt zur notwendigen Mitarbeit im schwiegerelterlichen Betrieb. Er war vielschichtig, ruhelos, zerrissen, seine Rolle als Schwiegersohn verschärfte die Situation (festgehalten im Gedicht „Kannst du die Weis, ich kann die Wörder“).
Neben der Schriftstellerei galt Ramseger-Mühles große Liebe der Musik, er spielte Konzertzither, leitete Männerchöre und gründete in Oberwambach ein Quartett, mit dem er auch Preise errang. Ramseger- Mühle verließ seine Familie, war von 1947 bis 1952 als freier Schriftsteller tätig und arbeitete dann bei einer Behörde der französischen Besatzung (er sprach auch fließend Französisch), später beim Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) in Koblenz.
Am 3. März 1961 verstarb Karl Ramseger-Mühle in Lahnstein, seine Liebe und Sehnsucht galt aber immer seiner Heimat, dem Westerwald.
Rhein-Zeitung: 18.Mai 2011, Volker Held
Foto: Heinz-Günter Augst