Dorfladen 2011

Versorgung – In der 440-Seelen-Gemeinde Oberwambach ist der
Einkauf kein Problem!

Schon der erste Blick ins Schaufenster verrät es:

Dieser Laden ist anders. Auf sorgfältig arrangiertem weißen Sand rekeln sich kleine Spielfiguren in kleinen Liegestühlen, drum herum passendes Sommerzubehör, natürlich auch im Miniaturformat.

Das perfekte Stillleben am Strand lässt die Kunden schmunzeln – und kurbelt vielleicht ganz nebenbei auch noch den Eisumsatz an.

Die sommerliche Deko ist nur eines der Details, die den Dorfladen in Oberwambach zum ganz besonderen Juwel in der Einzelhandelslandschaft machen.

Dorfladen 2011
Dorfladen 2011

Ein ganz normaler Nachmittag in dem 440-Einwohner-Dorf nur wenige Kilometer von der Kreisstadt Altenkirchen entfernt.

Ortsbürgermeister Achim Ramseger begleitet unsere Zeitung beim Besuch des Dorfladens, eines der wenigen Lebensmittelgeschäfte, die in einem kleinen Ort die unterschiedlichsten Zeiten überdauert haben.

„Den Laden hat es schon immer gegeben“, blickt Ramseger zurück, „der war schon vor dem Krieg in diesem Gebäude.“ Meinen überraschten Blick auf die Strandszene im Fenster kommentiert er grinsend mit: „Das wird bald umdekoriert. Es kommt was Herbstliches hin, passend zur Jahreszeit.“ Bäckerei und Lebensmittelgeschäft unter einem Dach – so wie es früher in vielen Westerwalddörfern üblich war –, dafür zeichnete über Jahrzehnte die Bäckerei Schneider verantwortlich.

Vor vier Jahren haben sich Schneiders aus dem Lebensmittelgeschäft zurückgezogen. Für knusprige Brötchen, Brot, leckere Teilchen und Kuchen sorgt Bäckermeister Schneider noch immer – den früheren Tante-Emma- Laden hat dagegen damals die AWO-Gemeindepsychiatrie gemeinnützige GmbH mit Sitz in Bad Marienberg und zuständig für die Kreise Altenkirchen, Westerwald, Neuwied und Rhein-Lahn übernommen.
Der Dorfladen in Oberwambach (neben einem weiteren in Nauroth) läuft jetzt als Integrationsprojekt, bei dem auch Behinderte beschäftigt werden.

„In den Dörfern ringsum gibt es keine Lebensmittelgeschäfte mehr. Wir liegen mittendrin, wie in einer grünen Oase“, erläutert der Ortsbürgermeister. „Ich sage den Leuten immer: ‚Geht mehr einkaufen, damit der Laden auch in Zukunft erhalten bleibt‘“, ergänzt er.

Der Laden läuft: Denn nicht nur die Oberwambacher, sondern auch die Leute aus Almersbach, Fluterschen, Gieleroth und Oberdreis (Kreis Neuwied) nutzen den kurzen Einkaufsweg zum Dorfladen. „Hier werden auch die großen Einkäufe erledigt“, freut sich Ramseger. „Der Laden hat alles, was man für das tägliche Leben braucht“, unterstreicht er nachdrücklich. Das Angebot beschränkt sich längst nicht nur auf Lebensmittel. Es gibt beispielsweise auch Glühbirnen, Schulhefte, sogar Briefmarken – und eine Paketannahmestelle.

Erfreulich für die Senioren:
„Für die älteren Mitbürger gibt es einen Heimbringservice, sogar bis nach Fluterschen. Das macht sonst keiner.“

Die Zukunft des Ladens in Oberwambach?
Otmar Schneider, bei der AWO zuständig für „Dorfladen, Stadtladen, Bistro“, sieht keine Probleme. Wie er erläutert, betreut
die Organisation derzeit insgesamt elf Dorfläden, jeweils zwei im Kreis Altenkirchen und im Rhein-Lahn-Kreis sowie sieben im Westerwaldkreis.

Gibt es finanzielle Zuschüsse dafür, dass die AWO mit dem Projekt auch Menschen mit Handicap eine Chance gibt? „Wir bekommen keine besonderen Zuschüsse. In erster Linie wollen wir die Menschen wieder in den Arbeitsmarkt bringen“, beantwortet Schneider unsere Frage. Und dann sagt er einen ganz besonderen, wichtigen Satz: „Das Arbeiten ist humaner hier.“ Das können wir nur unterstreichen. Fröhliche Verkäufer und Kassierer kümmern sich an diesem
Nachmittag um die Kunden aller Altersstufen.

Wenn wir
schon einen Laden
hier haben,
dann muss man
den auch unterstützen.

Andrea Tomasiello

Einer davon ist Jochen Schneider, der gerade an der Kasse die Einkäufe von Andrea Tomasiello abrechnet. Mehrere Male pro Woche macht sich die Oberwambacherin auf den Weg in den nahen Laden. „Auf jeden Fall jeden Samstag“, sagt sie. Ihr Credo: „Wenn wir schon einen Laden hier haben, dann muss man den auch unterstützen.“

Etwa 2500 Artikel finden sich auf einer Verkaufsfläche von rund 180 Quadratmetern. Neben den Markenartikeln gibt es auch ähnliche, aber preiswertere Produkte. Und zur Freude der kleinen Oberwambacher werden – wie in der guten alten Zeit – auch einzelne Süßigkeiten zum Stückpreis von wenigen Cent angeboten. Lieferant aller Waren ist Großhändler Giehl aus Nistertal.

„Der ist auf solche Läden spezialisiert“, erklärt Otmar Schneider. Fleisch und Wurst kommt vom Hehlinger Hof, der insgesamt vier AWO-Läden beliefert. Schon früh um 6.30 Uhr wird die Ladentür aufgeschlossen und steht den Kunden dann ununterbrochen bis 18.30 Uhr offen (samstags bis Mittag). Lange Öffnungszeiten, viel Personal – schlägt sich das auf die Preise nieder? „Keineswegs“, zerstreut Otmar Schneider jegliche Bedenken im Keim, „wir haben mal einen Versuch gemacht und einen typischen Einkaufskorb mit Waren im Wert von rund 50 Euro zusammengestellt.

Dabei waren wir nur rund einen Euro teurer als die herkömmlichen Lebensmittelketten.“ „Und man darf auch nicht vergessen,
dass der Laden außerdem eine Art Lebensmittelpunkt für die Menschen hier ist“, ergänzt Ortsbürgermeister Ramseger, „die
Leute kommen gern für ein Schwätzchen zusammen.“ Natürlich nutzt die Gemeindeverwaltung das Angebot im Ort ebenfalls rege, etwa dann, wenn es um Gutscheine oder auch Präsentkörbe für Jubilare geht. Und das Gebäck für den Martinszug
kommt selbstverständlich von Bäckermeister Schneider.

Längst gilt der kleine Laden (gerade wegen seiner frühen Öffnungszeiten) bei Arbeitnehmern, die den Ort durchqueren, als Geheimtipp. Sie decken sich mit belegten Brötchen und Getränken ein. Auch die Schulkinder flitzen auf dem Weg zum Bus mal schnell ins Geschäft. Richtig viel Betrieb herrscht dann zwischen 8 und 12 Uhr und später wieder von etwa 15 Uhr bis zum Ladenschluss, haben die Mitarbeiter festgestellt, die auch bei der Vorbereitung von Festen in Oberwambach gern in die Hände spucken.

„Hoffentlich geht das noch viele Jahre gut mit dem Laden“, überlegt der Ortsbürgermeister. Da kann er bestimmt optimistisch in die Zukunft blicken.

Rhein-Zeitung: 28. September 2011
Redakteurin: Gudrun Kaul